Frage:
Es gibt doch ein hochwertiges Lärmschutzprogramm, was die Anwohner schützt?
Antwort:
Jein. Ein Lärmschutzprogramm — ja. Hochwertig — nein. Nach offiziellen Angaben werden doch 60 Millionen für den Lärmschutz ausgegeben? Ja, auch das mag richtig sein. Doch die Frage ist, was unter den "Schallschutz" gerechnet wird. So zum Beispiel davon 48 Millionen für den Kauf von Grundstücken, zu dem der Flughafen innerhalb eines festgelegten Bereiches verpflichtet ist. Dies betrifft insbesondere das Örtchen Kursdorf, welches nun nach dem Neubau der Südbahn und deren Verlängerung genau zwischen beiden Start- und Landebahnen liegt. Hier muss der Flughafen die Grundstücke zum normalen marktüblichen Preis abnehmen. Andere Betroffene haben dazu kein Recht, da sie nicht in einer solchen Extremlage, wie zwischen den beiden Start- und Landebahnen wohnen. Der Rest, also etwa 12 Millionen Euro teilen sich auf in Baumaßnahmen wie eine Lärmschutzwand, Bepflanzungen u.ä. sowie auf den eigentlichen Lärmschutz, worunter wir üblicherweise Lärmschutz verstehen.
Dabei ist die wichtigste Schallschutzmaßnahme: Das eigene Fenster zu machen! Nur dort, wo dies nach einer theoretischen Lärmberechnung nicht ausreicht, um Gesundheitsgefahren im Wesentlichen zu verhindern, nur dort kommen weitere Maßnahmen hinzu. Wie z.B. der Einbau von Schallschutzfenstern oder in extrem seltenen Fällen auch Dämmungen an Wand und Dach. Der Lärm ist dann trotzdem noch zu hören. Dem überwiegenden Teil der betroffenen Anwohner bleibt aber nur, das eigene Fenster zu schließen. Damit dann noch eine halbwegs mögliche Sauerstoffzufuhr gewährleitet ist, bekommen diese Anwohner einen Lüfter in die Wand gebaut. Ein Lüfter übrigens, der nur Luft hineinbläst, nicht aber verbrauchte Luft abführt, wie es bei einem offenen Fenster erfolgt. Damit baut
sich im Zimmer ein gewisser Überdruck auf, der schließlich verhindert, dass weitere Luft hineingeführt werden kann. Ein System, welches nur sehr eingeschränkt den notwendigen Luftaustausch realisieren kann. Das haben auch die Flughafenbetreiber selbst erkannt und schreiben in ihrer Vereinbarung zum Schallschutzeinbau, dass der Betroffene zu einer regelmäßigen Stoßlüftung verpflichtet ist. Andernfalls sind Schäden an der Bausubstanz (Schimmelbildung, nasse Wände) vorprogrammiert. Cleverer Schachzug, so verhindert man spätere Forderungen wegen Bauschäden. Und schließlich kann es wohl jedem Betroffenen zugemutet werden, mehrmals in der Nacht aufzustehen, für 5 Minuten eine Stoßlüftung durchzuführen und dann zu versuchen, wieder
einzuschlafen. Bis zum nächsten Überflug, der sowieso in wenigen Minuten erfolgt bzw. bis zur nächsten vorgeschriebenen Stoßlüftung. Notwendig wären hier Lüfter mit einer Zu- und Abluftöffnung, die einen ausreichenden Luftwechsel ermöglichen würden. Diese gibt es in verschiedenen
Ausführungen auf dem Markt, doch sie sind dem Flughafen bereits zu teuer.
Doch was ist denn nun daran so einmalig in Europa und besonders großzügig an diesem Konzept?
Hier liegt die einzige Stärke, des "Lärmschutzprogramms": Es ist in der flächenmäßigen Ausdehnung größer, als andere "Lärmschutzzonen". Doch qualitativ, also inhaltlich, ist es eben
nicht besser als andere. Der "Kreis" der offiziell als betroffen anerkannten Anwohner ist einfach ein wenig größer gezogen worden. Nicht mehr und nicht weniger. Doch dies ist kein ausreichender Grund, auf das
Konzept wirklich stolz zu sein. Es hilft nur dabei, in der Öffentlichkeit, den Mund recht voll nehmen zu können. Halbwahrheiten eben.
Grundlage hierfür ist die sogenannte DLR-Studie. Diese Studie war die Basis für die Frage, wie laut müssen es die Anwohner ertragen, wer muss also sein Fenster schließen und bei wem kann es grundsätzlich offen bleiben. Hier wurde als Maßstab der theoretischen Berechnungen eine zusätzliche Aufwachreaktion festgelegt.
Dass diese Berechnung völlig unzureichend ist und auch die theoretischen Lärmwerteberechnungen weit daneben lagen, zeigt die heutige Situation: Die Lärmwerte, die vom Flughafen selbst veröffentlicht werden (obwohl sie massiv überarbeitet und um viele Fluglärmereignisse "bereinigt" wurden) bzw. die Messungen, die das sächsische Ministerium für Umwelt und Geologie vor der Vollinbetriebnahme von DHL durchgeführt hatte, beweisen, dass die Lärmbelastung viel zu hoch ist. Sie hat heute schon das Ausmaß erreicht bzw. an vielen Stellen überschritten, die erst für das Jahr 2015 prognostiziert wurden, obwohl heute noch lange nicht die Ausbaustufe von 2015 erreicht ist und noch viel weniger Flieger unterwegs sind. Wir wollen uns nicht ausmalen, was es bedeutet, wenn diese geplanten Nutzungen noch alle hinzu kommen!
Man bedenke dabei, dass diese Messungen noch vor der Vollinbetriebnahme von DHL erfolgten!
Man bedenke auch, dass in der DLR-Studie eine große Bevölkerungszahl überhaupt nicht berücksichtigt wurde: Kinder, Alte und Menschen mit Vorerkrankungen. Wie aussagefähig eine solche Studie dann überhaupt noch ist, möge sich jeder selbst überlegen. Besonders, wenn sie im Ergebnis Lärmspitzen von 65 dB(A) im Mittel (!!!) am Ohr des Schläfers als zulässig erachtet. 65 dB(A) sind vergleichbar mit einem Rasenmäher unmittelbar vor dem Schlafzimmerfenster oder zwei streitenden Personen, die mit am Bett sitzen. Wer das für einen Schlafenden jede Nacht als zulässig und vertretbar erklärt
und dann noch vom "besten Schallschutzprogramm Europas" spricht, den kann niemand an Scheinheiligkeit mehr überbieten.
Das sächsische Ministerium für Umwelt und Geologie bescheinigte übrigens im Ergebnis seiner Untersuchungen, dass die privaten Messtationen der IG Nachtflugverbot Leipzig/Halle e.V., die in das Messstellennetz des Deutschen Fluglärmdienstes (
www.dfld.de) eingebunden sind, eine sehr
hohe Messgenauigkeit aufweisen.